Interview: Die schönsten Lost Places in der Schweiz

Mit dem Weltreiseforum führt Oliver Zwahlen einen der reichweitenstärksten Blogs der Schweiz und widmet sich hier Orten abseits der ausgetreten Pfade. Als Buchautor hat sich Oliver in seinem letzten Werk den Dark und Lost Places in den Schweizer Alpen gewidmet. Grund genug, um ein paar Tipps aus erster Hand einzuholen.

Lieber Oliver, stell dich doch gerne in ein paar Sätzen vor:

Klar. Ich bin Blogger, freier Journalist und Buchautor aus der Region Basel und schreibe über alles, was mit Reisen zu tun hat. Wobei ich mich in den letzten drei Jahren aufgrund der Pandemie-Situation auf die Schweiz konzentriert habe. So recherchierte ich zum Beispiel zuletzt für ein Buch über verlassene und düstere Orte in den Schweizer Alpen. 

Wie bist du zum Thema Lost und Dark Places gekommen?

Wahrscheinlich wie viele andere auch: über eindrückliche Fotos von verlassenen Orten. In meinem Fall waren es Aufnahmen aus Prypjat, jener Stadt direkt neben Tschernobyl, die nach dem Reaktorunglück evakuiert werden musste. Die apokalyptischen Bilder lösten in mir ein seltsames Gefühl der Beklemmung aus – gleichzeitig aber auch eine starke Faszination, die mich nicht mehr wegschauen ließ. Mein erster wirklicher „Dark Place“ einige Jahre später war dann aber ein eher zwiespältiges Erlebnis. Ich besuchte das berüchtigte Geheimgefängnis S-21 in Kambodscha. Die ganzen Folter- und Mordgeschichten entfesselten in mir ein derart heftiges Kopfkino, dass mir nach einer halben Stunde übel wurde und ich mich erstmal irgendwo hinsetzen musste.

Was genau fasziniert dich an diesem Thema?

Allgemein finde ich zwei Aspekte besonders interessant: Zum einen stoßen düstere Orte oft eine persönliche Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit an, was ja in unserer Gesellschaft eines der ganz großen Tabu-Themen ist. Das finde ich bereichernd. Zum anderen lassen sich vielerorts die Spuren von Ereignissen wie etwa einem Verbrechen, einer Naturkatastrophe oder auch einem wirtschaftlichen Zusammenbruch noch immer gut erkennen und quasi wie in einem großen Puzzle zusammensetzen. Auf diese Weise werden die teilweise extremen Erlebnisse und Schicksale der betroffenen Menschen erfahrbar. Das gilt besonders für Lost Places, die häufig abrupt verlassen wurden. Für mich als Historiker ist das unglaublich spannend.

Das Gotthard-Sanatorium. Bild: Oliver Zwahlen

Welcher Lost oder Dark Place hat dich bisher am meisten begeistert?

Der befindet sich tatsächlich außerhalb der Schweiz. Letzten Herbst war ich in Georgien unterwegs und habe dort ein kleines Städtchen namens Zqaltubo besucht. Zu Zeiten der Sowjetunion war es wegen seinen heilenden Thermalquellen ein beliebter Kurort. Von den ehemals über zehn Kurhotels sind heute aber die meisten verlassen und zerfallen, können aber teilweise trotzdem besichtigt werden, wenn man das Sicherheitspersonal freundlich fragt. Die Unterkunft, die ich besuchte, stand schon über 30 Jahren leer und wies noch die alte sowjetische Einrichtung auf. Da ist Geschichte zum Anfassen nah.

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Welchen Ort würdest du Reisenden empfehlen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Schweiz unterwegs sind?

Um es vorweg zu nehmen: Die meisten Orte, die ich im Buch vorgestellt habe, liegen in strukturschwachen Regionen mit schlechter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Wer kein Fahrzeug zur Verfügung hat, muss daher die An- und vor allem die Rückreise genau planen und manchmal auch etwas wandern. Aber möglich ist im Grunde alles. Relativ gut erschlossen wäre aber zum Beispiel das Gotthard-Sanatorium, eine besonders düstere ehemalige Tuberkulose-Klinik direkt beim Südportal des Gotthard Tunnels. Damit liegt es gleich neben einer Hauptverkehrsachse der Bahn und kann trotz seiner Abgelegenheit relativ gut erreicht werden.

Gibt es etwas, was schaurige Orte in der Schweiz besonders macht oder von anderen Ländern unterscheidet?

Der größte Unterschied zu anderen Ländern ist wahrscheinlich die Zusammensetzung. Das hängt mit zwei Faktoren zusammen. Zum einen durchlebt die Schweiz seit fast zweihundert Jahren eine weitgehend friedliche Zeit. Es gab weder Krieg noch herrschte eine Diktatur, womit ein ganzer Bereich an düsteren Orten schlicht nicht existiert. So sind es vor allem gruselige Bergsagen, die sich überliefert haben, und daneben auch noch jede Menge blutrünstigen Geschichten aus dem Mittelalter. Zum anderen sorgen in der dicht besiedelten Schweiz die hohen Grundstückpreise dafür, dass vor allem in den Städten aufgegebene Gebäude meistens ziemlich rasch umgenutzt oder gleich abgerissen werden. Klassische Lost Places sind deswegen hierzulande eher selten zu finden.

Welche sind deine Top-3 Orte in den Schweizer Alpen?

Besonders gut gefiel mir ein ehemaliges Kurhotel, das vor rund 70 Jahren von einer Lawine zerstört wurde. Aufgrund der Bauweise am Hang wurden allerdings nur die oberen Etagen weggerissen und die alten Thermalbäder im Keller funktionieren bis heute. Ebenfalls grandios fand ich das erwähnte Gotthard-Sanatorium – wobei man das alleine wegen der Einsturzgefahr heute nicht mehr betreten sollte. Gut gefallen haben mir auch die Reste der ehemaligen Misoxer-Bahn. Die Schienen sind lange verschwunden, aber Brücken und Tunnels bilden nun einen tollen Wanderweg, der am einen oder anderen zerfallenen Bahnhof vorbeiführt. Ein seltener Anblick in der Schweiz.

Bahnhof auf der Strecke der Misoxer-Bahn. Bild: Oliver Zwahlen

Welche Orte sind für dich ein No-Go?

Zum einen dort, wo es gefährlich wird. Bei meinen Recherchen bin ich beispielsweise im Wallis auf eine schlecht gesicherte ehemalige Erzmine gestoßen, in die man auch hätte reingehen können. Da mir die Gefahr eines Unfalls zu groß war, bin ich selber nicht rein und habe den Ort auch nicht ins Buch aufgenommen. Das andere Thema ist die gesetzliche Lage. In Facebook-Gruppen tauschen sich Urbexer teilweise über verlassene Privathäuser aus, die man aber nur besuchen kann, wenn man einbricht. Auch wenn man nichts mitnimmt und nichts beschädigt, finde ich das nicht okay.

Was sind deine Tipps für Besuche von Lost Places?

Wie gesagt: unbedingt auf die eigene Sicherheit achten und fremdes Eigentum respektieren. Gute Schuhe und eine Taschenlampe sind eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus würde ich empfehlen, Lost Places nur in Begleitung zu besuchen. Auch bei größter Vorsicht lässt sich ein Unfall nie ganz ausschließen.

Was sind die nächsten Orte auf deiner Bucketlist?

Tatsächlich steht bei mir vorerst eine Pause bei Dark-Places an. Für mein nächstes Buchprojekt werde ich mich wahrscheinlich für eine Weile nach Asien begeben. Aber da noch nicht alles in trockenen Tüchern ist, will ich vorerst nicht zu viel verraten.

Lost & Dark Places Schweizer Alpen: 33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte von Oliver Zwahlen

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